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Nebelpoker, Rosen(berg)rot und ein alter Bekannter.

Mein Wecker piepst - mal wieder (ich sollte echt aufpassen, dass das nicht zur Gewohnheit wird!) - 4.04 Uhr. Es ist ein Freitag, mitten im Oktober. Die WetterApp hatte gestern nach dem Regen am Vormittag, klaren Himmel ohne Wind und eine Abkühlung in der Nacht vorher gesagt - oder kurz: beste Bedingungen für Nebel bzw. gute Chancen auf Nebel ...

 

Nebelpoker - auf der Jagd nach den weißen Wölkchen

Mittlerweile habe ich gelernt, dass der geneigte Sandsteinfotograf bei Aussicht auf Nebel im Gebirge so ziemlich jeden Hebel in Bewegung setzt, um ein Bilder von den begehrten Schwaden zu knipsen, wie sie sich zum Sonnenaufgang fotogen an diverse Sandsteintürme schmiegen.

Das heißt leider auch: Früh aufstehen … und noch früher, wenn man zu einem Ziel vordringen möchte, wo man wahrscheinlich allein ist. Denn betrachtet man die Bilderflut im Netz, dürfte man bei guten (Nebel-)Bedingungen auf dem Gohrisch frühmorgens das Gefühl eines sächsischen Fotografentreffens haben (und wahrscheinlich könnte man sich dort mit einem mobilen Verpflegungsangebot eine goldene Nase verdienen …).

 

Wir springen also kurz nach 4.30 Uhr mit Klettersachen, Tee, Kaffee, Kuchen (und sonstig lebenswichtigen Dingen wie Daunenjacke) bewaffnet ins Auto und fahren in die Schrammsteine. Bereits in Pirna ahnen wir, dass es mit dem Nebel wohl nichts geworden ist: zu viel Wind, vielleicht auch zu wenig Abkühlung. Glasklar funkeln über uns die Sterne und am Elbufer die Straßenlaternen.

 

Andächtig steigen wir also durch die sternenklare noch stockdunkle Nacht den Obrigensteig empor. Unser Atem bildet kleine Wölkchen und den Weg säumen unzählige Fliegenpilze, die fast schon mystisch im Schein unserer Stirnlampen glänzen. Unter der Obrigenwand schläft ein Boofer, dick in seinen Schlafsack gehüllt.

6.15 Uhr stehen wir am Fuß des Schrammtorwächters. Helmut kämpft sich derweil weiter oben in den Schrammsteinen auf einem Band in eine gute Fotoposition vor.

 

6.30 Uhr steigt Jürgen in den AW am Schrammtorwächter ein. 6.45 Uhr ist er (mit Schlinge basteln und Ring klippen) auf dem Gipfel. Dick in Daunen- und Fleecejacke gehüllt, steige ich nach. An meinem Gurt baumelt ungefähr 30 Sekunden lang ein Beutel mit einem weiteren Shirt und einer Thermoskanne voll mit leckerem, heißen Tee. Mit einem beeindruckenden Scheppern durch die morgendlichen Stille verschwindet diese dann leider im unergründlichen Kamin des Schrammtorwächters … (vom Gurt gelöst … *heul*).

 

Königsdisziplin: Frieren

Ziemlich genau 7.10 Uhr ziehe ich mich mit klammen Fingern am letzten Henkel des Weges auf den Gipfel und fühle mich schon gut gekühlt. Mögen 10°C vielleicht zu "warm" für Nebel sein, zum Klettern ohne Licht sind sie jedenfalls ordentlich zu kalt!

Auf dem Gipfel erwarten mich Jürgen und ein alter Bekannter: der Herbstwind. Dieser bläst mir zu Begrüßung kräftig ins Gesicht und lässt mich noch mehr schauern. Noch 10 Minuten bis Sonnenaufgang!

 

Am Horizont wird der Rosenberg (CZ) in wunderbar rosenrotes Licht getaucht, das uns die Sonne ankündigt. Zwischen dem Lilienstein und der Festung Königstein entdecken wir sogar ein paar der begehrten Nebelwölkchen über der Elbe.

Wir "posen" derweil im blauen Licht des "Vorsonnenaufgangs". Langsam kämpft sich die Sonne empor und taucht die Landschaft in warmes Licht. Wärmetechnisch bringt das leider nicht viel - aber auf den Fotos sieht man das Zittern ja nicht.

Elbtal und rosenrot über dem Rosenberg
Elbtal und rosenrot über dem Rosenberg
Blick zur Festung Königstein, Lilienstein und ein paar kleine Nebelwölkchen
Blick zur Festung Königstein, Lilienstein und ein paar kleine Nebelwölkchen

Jürgen versucht uns mit "Yoga auf dem Schrammtorwächter" aufzuwärmen, das bringt uns prompt einen Anschiss vom Fotografen ein. Also stellen wir wieder formschön auf den Gipfel, halten gelegentlich das Gesicht in die Sonne und verlieren nach und nach die Kontrolle über unsere Gliedmaßen  … eingefroren … ich weiß, "jammern auf buchstäblich

hohem Niveau" ;)

Posen - Frieren - Posen - Frieren … und das wunderbare, rosarote Panorama bewundern!

 

Business as usual  ...

Kurz nach 8.00 Uhr seilen wir ab und erlösen die kalten Füße aus den Kletterschuhen. Dann sprinten wir zum Auto (der Boofer schläft noch immer, dem ist offenbar nicht kalt), schließlich müssen wir beide 10.00 Uhr auf Arbeit sein.

Dank Sitzheizung taue ich langsam auf. 9.50 Uhr sitze ich schließlich am Schreibtisch und alles scheint wie immer an einem Freitag … nur das Grinsen, über ein morgendliches Abenteuer bleibt noch eine gute Weile erhalten.

 

Tja, und die Thermoskanne? Naja - falls jemand Jemanden mit schlangenartigen Teleskop-Armen, kleinen Lampen und Augen an den Fingerspitzen kennt: Bitte uuuunbedingt melden!

 

Schrammsteine, Schrammtorwächter, Alter Weg. Foto: Helmut Schulze (c) 2019
Schrammsteine, Schrammtorwächter, Alter Weg. Foto: Helmut Schulze (c) 2019
Elbtal, Vorder Torstein und Meurerturm
Elbtal, Vorder Torstein und Meurerturm