In der sächsischen Schweiz erfolgt die Absicherung mit mobilen, textilen Sicherungsmitteln.
Einige Bergsportläden bieten dafür dem Gebietsneuling mehr oder weniger gute Schlingensets an.
In diesen Sets habe ich allerdings schon Schlingen entdeckt, die für einen bedingungslosen Einsatz als persönliche Schutzausrüstung zumindest fragwürdig sind. Überwiegend fehlen auch Angaben zur Bruchlast der verkauften Exemplare.
Es spricht daher einiges dafür, sich selbst Gedanken über ein sinnvolles Schlingensortiment für das Klettern im Elbsandstein zu machen. Zunächst eine kleine Schlingenkunde *):
Ein Wort zur Bruchlast:
Bei einem Sturz wirken auf die Umlenkung (das kann also auch jede Zwischensicherung sein!) je Gegebenheit und Sicherungssituation durchaus Kräfte beginnend ab etwa 6 bis durchaus 12 kN (zur Veranschaulichung: also 600 bis 1.200 kg). Diese Bruchlast sollte eine Schlinge in jedem Fall für einen unbedenklichen Einsatz als Zwischensicherung aufweisen. Knoten verringern die Bruchlast - im ungünstigsten Fall halbieren sie diese. Einen guten (technischen) Überblick bieten die Artikel des DAV Österreich oder von Petzl.
1. Rundmaterial
Hierbei handelt es sich um Reepschnüre, Seilstücke oder "Hightech-Schnüre", die als Meterware von einer Rolle verkauft werden (oder in vorbereiteten Stücken) und einen runden Querschnitt haben. Bei jedwedem Einsatz oder Kauf ist zu empfehlen, dass die vom Hersteller angegebene Bruchlast geprüft und für den eigenen Einsatz bewertet wird. Die zwingenden Angaben zur Bruchlast finden sich auf der Rolle, von der die Stücke geschnitten werden.
🔹 Bei Reepschnüren handelt es sich hier um statisches, dehnungsarmes Rundmaterial mit geringem Durchmesser aus Polyamid.
Die Bruchlast wird durch die Formel Durchmesser ins Quadrat mal 0,2 bestimmt. Mit Blick auf die Kräfte an der Umlenkung und die Wirkung von Knoten kann man pauschal sagen: Reepschnur als Zwischensicherung wird ab einem Durchmesser von 8mm interessant (Bruchlast 12,8 kN). Einzelne Hersteller (z.B. Edelrid) geben höhere Bruchlasten für niedrige Durchmesser an, als im Rechenbeispiel.
Hier gilt: Herstellerangaben genau prüfen.
🔹 Bei Seilstücken handelt es sich demnach tatsächlich um Stücke (auch ausgemusterter) Seile.
Diese sind dynamisch, also bis zu einem gewissen Grad dehnbar. Beginnend bei Halbseilen (Bruchlast mindestens 8kN), eignen dieses sich grundsätzlich als Material für Zwischensicherungen. Bergsportläden verkaufen diese zT auch als Meterware, so dass hier ein guter Fundus an Schlingen besteht.
Ausgemusterte Seile können als Sicherung verwendet werden, solange beim entsprechenden Seilstück Kern und Mangel unbeschädigt, noch händelbar (also nicht knirschend steif) sind und der "Knicktest" bestanden wird (beim "Knicken" des Seiles entsteht ein kleines Auge).
🔹 Zur Absicherung breiterer Risse kommen in der Sächsischen Schweiz auch Stücke von Bootsleinen/Ankerleinen zum Einsatz.
Diese werden mit Durchmessern beginnend ab 12mm genutzt. Die meisten Bergsportgeschäfte in Sachsen, einschließlich Globetrotter bieten diese Leinen als Meterware an. Die Festigkeit ist mit Blick auf den eigentlichen Einsatz in der Schifffahrt hoch genug, z.B. Ankerseil. Hierzu im Geschäft beraten lassen, Hanfseile aus der Schifffahrt sind dabei nicht gemeint!
In vielen Fällen werden diese als "Schiffstaue" oder "Dickschlingen" bezeichneten Seile mittlerweile durch die vielseitigeren Ufos ersetzt.
🔹 Als "Hightech-Schnüre" (Hinweis z.T. werden die in Bergsportläden auch als "Reepschnur" geführt) verstehe ich hier in Abgrenzung zur Standard-Reepschnur Rundschlingen aus hochfestem Material wie
◾ Kevlar (Aramid) oder
◾ Dynema (Polyethylen).
Diese sind auch bei einem Durchmesser < 8 mm gut einsetzbar. Noch für Durchmesser von 4 mm werden teilweise geeignete Bruchlasten angegeben. Für die jeweiligen Bruchlasten sind hier unbedingt die Herstellerangaben beim Kauf der Meterware zu erfragen, da diese variieren. Keinesfalls dürfen diese Schlingen bei Kauf oder Einsatz mit den normalen Reepschnüren oben verwechselt werden. Der Preis ist ein Anhaltspunkt: Einfache Reepschnur ist i.d.R .sehr preiswert. Mit der Zeit kennt man auch die gängigen Designs und Durchmesser der jeweiligen Hersteller von Dyneema oder Kevlar- Schlingen.
🔹 Noch recht neu auf dem Markt sind vernähte Rundschlingen aus Kevlar in verschiedenen Größen. Diese bieten sich wegen ihres geringen Gewichts bei hoher Bruchlast als Selbstsicherung, Standplatzschlingen oder Prusik (Abseilen, Selbstrettung/ Bergrettung) an. Das Handling mit der recht kompakten Nahtstelle ist jedoch nicht immer angenehm.
❗ Gerade bei dünnem Rundmaterial (Durchmesser < 8 mm) nicht blind auf Inhalte von Schlingensets vertrauen, sondern kritisch Material und Herstellerangaben zur Festigkeit (bei Meterware findet sich diese Angabe auf der Rolle des Herstellers ) hinterfragen ❗
2. Bandschlingen
Hierbei handelt es sich idealerweise um vernähte, flache Schlingen mit Nutzlängen von 10 bis 240 cm. Diese gibt es aus Polyamid und Dynema, sowie Mischgewebe (Mix aus Polyamid und Dynema). Die statische Bruchlast vernähter Bandschlingen muss nach EU EN 566 immer 22 kN (Normung am Etikett prüfen!) betragen. Das ist sehr viel - allerdings handelt es sich bei Bandschlingen um rein statisches Material, welches bei ungünstiger (Quer-)Belastung oder hohen Sturzfaktoren (z.B. Klettersteig)/dynamischer Belastung wegen seiner statischen Eigenschaften auch reißen kann. Bei einem normalen, durchdachten Einsatz als Zwischensicherung sollte eine vernähte Bandschlinge über jeden Zweifel erhaben sein.
Hinweis:
Im Handel ist auch unvernähtes also offenes Bandschlingenmaterial erhältlich, mittlerweile auch als ummanteltes Dyneema mit attraktiven Bruchlasten im Einzelstrang. Dieses kann beispielsweise in schmalen Rissen zum Einsatz kommen. Solche Konstruktionen sind eher dem kundigen Schlingenleger vorbehalten - auch ein Fädeln offener Bandschlingen durch Sanduhren sollte mit Bedacht erfolgen. Das Kernproblem aller unvernähten Bandschlingen und damit die große Schwachstelle ist der Knoten. Selbst bei einem sogenannten Bandschlingenknoten ist nicht 100% sicher, dass dieser sich unter großer Belastung, z.B. einem Sturz, nicht löst.
❗ Ein Sackstich ist definitiv ein absolutes "no go" beim Verbinden von Bandschlingen-Enden, dieser stülpt sich nachweislich solange um, bis der Knoten heraus gerutscht ist. Lehrmeinung ist zwischenzeitlich der gegenläufig gesteckte Achterknoten ❗
Besser ist es also, ausschließlich vernähte, genormte Bandschlingen zu verwenden.
🔹 Fusselschlingen
Ein merkwürdiges Special im Sandstein ist die Fusselschlinge. Einige Dyneema-Bandschlingen nehmen zwar nach intensiver Nutzung im Sandstein eine ähnliche (stark bruchlastbeeinträchtigende) Konsistenz an, doch die eigentliche Fusselschlinge zeichnet sich durch eine zopfartiges, buntes Geflecht aus Polyamid und eine Verarbeitung als Schlauchband aus.
Durch die Auflage auf dem Sandstein verfilzt das Geflecht und erzeugt so durch eine beeindruckende Reibung eine spannende Haftung auch auf abschüssigem Sandsteinflächen.
Diese Schlinge wurde bisher von Beal angeboten. Beal hat die Produktion eingestellt, Restbestände werden noch verkauft. Tendon-Seile ist mit wenigstens sieben Designs und Farben neu am Markt.
Das 19mm breite Schlauchband von Beal hat/hatte eine Bruchlast von 11 kN, ein Einsatz kann demnach bei hohen Sturzkräften/Fangstößen grenzwertig sein.
Für das nunmehr 23mm breite Schlauchband von Tendon konnte ich keine Herstellerangabe finden. In Onlineshops finden sich Bruchlasten zwischen 18,5 und 23 kN. Auf Grund der etwas größeren Breite der Tendon-Schlinge, könnte die Bruchlast höher als beim Beal-Produkt liegen.
3. Ufos
Seit 2015 sind sie zugelassen - nach langer heftiger Diskussion und bis heute wenigstens "moralisch" umstritten: Ufos. Es handelt es sich dabei um eine Art Stoffkeil mit beweglicher Füllung, die eine Platzierung auch in parallelen Rissen erlaubt und ermöglicht. An dieser Stelle sind sie den Knotenschlingen überlegen, die an solchen Stellen heraus rutschen würden.
Zugelassen sind sie in der Sächsischen Schweiz mit ausschließlich stofflicher Oberfläche. Die zum Teil im Handel erhältlichen Ufos mit gummierter Außenseite sind demnach als Sicherungsmittel im sächsischen Elbsandstein mit Verweis auf die Kletterregeln des Sächsischen Bergsteigerbundes im Grunde nicht erlaubt. Eine gesetzliche Grundlage, in der der Einsatz gummierter Ufos verboten ist (beispielsweise die Nationalparkverordnung) gibt es jedoch nicht. Erfunden wurde das Ufo als Sicherungsmittel auf der böhmischen Seite der Elbsandsteins.
Derzeit sind zwei Grundmodelle verfügbar:
Hierbei handelt es sich um eher kugelige Exemplare der Stoffkeile in derzeit dreizehn verschiedenen Grüßen. Die kleinsten Breiten sind nur gummiert verfügbar und demnach in der Sächsischen Schweiz nicht regelkonform einsetzbar. Mittlerweile sind die drei kleinen Größen in "Zäpfchenform" an vielen Gurten zu entdecken.
Material-Schwachstelle der kugeligen Ufos ist leider die eingenähte Dynema-Schlinge. Diese passt zwar schick durch kleinste Spalten. Dynema altert jedoch extrem schnell und ist super anfällig für Verschleiß, so dass ein Tausch nach spätestens drei Jahren empfohlen wird. Schwierig bei Ufos.
Diese Ufos gibt es in sechs Breiten und weisen eine eher flache Außenseite auf, so dass sie deutlich keilförmig wirken. Obr-Ufos gibt es ausschließlich textil aus robustem Polyamid.
🔹 Neben den deutlichen Sympathiepunkten für den Hersteller Honza Obročník ziehe ich diese Ufos wegen ihrer Form den "Kugelufos" von Restday vor. Die Keilform erzielt eine deutlich bessere Lage des Sicherungsmittels in Rissen, insbesondere die kleinen flachen Ufos haben eine extreme Einsatzbreite bis hin zu guter Lage auch in Querrissen.
Für Ufo-Skeptiker:
Grundsätzlich stehen diese hervorragenden Sicherungsmittel zur Verfügung, erweitern das Sicherungsportfolio für schwierig abzusichernde Stellen erheblich, so dass es aus meiner Sicht keinen Grund gibt, auf Ufos beim Klettern zu verzichten. Auch im Klettersport entwickelt sich das Leben weiter, so auch bei den Sicherungsmitteln.
... und die Entfernung manch eines Ufos vom Sicherungspunkt ist weitaus felsschonender möglich als das mitunter mühevolle Herausmeiseln eines Knotens mittels Rissspatel 😎
... und warum sollte ich einen Sturz riskieren, wenn ich eine Stelle sichern kann?
💡 Also: Leute, nehmt Ufos, bevor ihr euch umbringt oder schwer verletzt - oder: Wer das Ufo nicht ehrt, ist die Bergwacht nicht wert!
4. Metall (Karabiner, Exen)
"Metall" in der sächsischen Schweiz beschränkt sich auf Karabiner und Express-Sets. Hier kann man sich nach dem persönlichen Geschmack ausstatten.
Hinweis: Für die Abseilösen auf sächsischen und zum Teil auch böhmischen Gipfeln benötigt man Karabiner mit besonders großer Öffnung, z.B. DMM Big Boa.
5. Selbstsicherung
Ebenfalls eine Besonderheit beim Klettern in der Sächsischen Schweiz ist eine am Klettergurt fest installierte Selbstsicherung, die typischerweise nicht entfernt wird. Benötigt wird für die dicken sächsischen Abseilösen ein Karabiner mit großer Öffnung.
Genutzt werden für die Selbstsicherung Bandschlingen, Seilstücke oder auch die vernähten Kevlarschlingen. Bandschlingen als Selbstsicherung haben den Nachteil, dass diese statisch sind und bei ungünstigen Belastungen auch reißen können.
🔹 Neuster Schrei in Sachen Selbstsicherung ist das Petzl "Connect Adjust" oder ähnliche Konstruktionen. Kern dabei ist die stufenlose und schnelle Längenanpassung der Selbstsicherung ohne dass weitere Knoten zur Verkürzung der Schlinge benötigt werden.
Ich nutze das Petzl Connect Adjust und habe die vorgefertigte Schlinge des Herstellers (95cm) durch ein längeres Seilstück gleichen Durchmessers ersetzt, um die Selbstsicherung auch "über Kopf" einhängen zu können.
Die Selbstsicherung wird in Sachsen hauptsächlich zum Abseilen benötigt.
Da man von sächsischen Gipfeln in nahezu jedem Fall abseilen muss, mitunter mehrfach, ist eine dauerhaft befestigte Selbstsicherung einfach sehr, sehr praktisch. Zum Teil befinden sich die Abseilösen recht unbequem an der Wand ein Stück unterhalb vom Gipfelkopf, so dass eine praktische Selbstsicherung nicht nur den Komfort erhöht, in die Abseilposition zu gelangen, sondern auch irgendwie unverzichtbar ist.
❗ Sogenannte "Daisychains" sollten als Selbstsicherung vermieden werden, ebenso eine Fixierung der Karabiner mittels Gummi oder Kabelbinder. Beide Konstruktionen können im ungünstigsten Fall zu einem Aushängen der Selbstsicherung und zum Absturz führen. ❗
* Disclaimer/ Haftungsausschluss
Diese Informationen sind von mir großer Sorgfalt und nach dem aktuellen Wissensstand zusammen gestellt.
Für seine Sicherungsmittel übernimmt jedoch immer jeder selbst die Verantwortung und muss prüfen, womit er sich wie sichert und ob die eingesetzten Materialien sich zur Sicherung eigenen! Haftungsansprüche lassen sich aus meinen Hinweisen nicht ableiten.
Zum Teil werden in Bergsportläden oder im Sprachgebrauch Bezeichnungen abweichend verwendet (z.B. Reepschnur), deshalb beschreibe ich immer zuvor, was ich unter der jeweiligen Bezeichnung verstehe.
Copyright: Gerit Sophie Heidel, 2021