Risse und Kamine in der Sächsischen Schweiz

Schrammtorwächter, AW, VI (Foto: Helmut Schulze, 2017)
Schrammtorwächter, AW, VI (Foto: Helmut Schulze, 2017)

Riss- und Kaminkletterei im Elbsandstein

In den Schrammsteinen, den Affensteinen und in Schmilka findet man sie häufiger, im Gebiet der Steine, dem Bielatal und Rathen sind sie seltener anzutreffen: Kamine, sächsisch auch "Schlotten" genannt.

Nicht selten enden gerade in den Schrammsteinen oder in Schmilka wunderschöne Wandklettereien in zum Teil moralisch anspruchsvollen und meist ungesicherten Kamin- oder Rissausstiegen. 

 

Risse und Kamine zählten in der Anfangszeit der sächsischen Kletterei zu den sichersten Möglichkeiten, auf einen Gipfel zu gelangen. Während die Ausrüstung der Kletterpioniere im Sandstein für kleine Tritte an der Wand kaum geeignet und auch das Schlingen- und Sicherungsmaterial noch nicht zuverlässig war, fühlten sich die Bergsteiger in Kaminen und engen Rissen wohl. Denn dort konnte man nicht so schnell heraus fallen, es kam allein auf Technik, Ausdauer und gewissermaßen auch auf eine hohe Schmerztoleranz an. Die damals üblichen Bastschuhe boten in den glatten Kaminwänden einen guten Halt, dickere Stoffe schützten Knie und Ellbogen vor dem rauen Stein. Zudem gab es auch noch keine üppig mit Material bestückten Klettergurte, die schmerzhaft auf Rücken oder Hüfte drückten, wenn man sich beherzt in einen Kamin klemmte. 

Was den Kletterern vor rund 100 Jahren als sicher und lösbar erschien, kann dem modernen Kletterer heute durchaus Furcht einflößen. Hat man erst einmal den eindrucksvollen, ca. 30m langen und komplett ungesicherten Kamin des AW mit der Schwierigkeit "sächsisch III" am Dreifingerturm bestaunt oder im zugigen rund 50m steil nach oben ragenden Kaminlabyrinth der Schrammtürme gestanden, bekommt man eine Vorstellung davon, was es heißt diese Felsspalten fast vollständig ungesichert nach oben und nicht selten wieder nach unten zu "schrubben".

 

Doch warum beeindrucken uns diese langen Felsspalten derart?

Heute beginnt eine Kletterkarriere meist in einer Kletterhalle an bunten Griffen mit guter Sicherung. Der Kletterer trainiert dabei typischerweise Kraft, Ausdauer und Klettertechnik an Wänden. Er lernt, kleine Leisten ebenso zu halten, wie sogenannte Sloper oder Zangen, er klettert durch Dächer und er steht auf zum Teil winzigen Tritten. Moderne Kletterschuhe bieten hierfür beste Voraussetzungen, zuverlässige Gurte und dynamisch dehnbare Seile fangen Stürze sicher auf. Mit einigem Ehrgeiz kann der Kletterer bereits nach einiger Zeit auch Wege im 5., 6. oder gar 7. Schwierigkeitsgrad (UIAA) frei klettern. Bietet sich die Möglichkeit, so kann man diese Kletterleistung auch in gut gesicherte Wände draußen im Fels übertragen.

 

In die Sandstein-Kletterskala "umgerechnet", wären das Wege, die mit dem sächsischen Schwierigkeitsgrad VIIa bis VIIIb bewertet sind. Für eine reine Wandkletterei mag diese "Umrechnung" auch in einigen Fällen zutreffen, für Risse und Kamine gilt sie ganz sicher nicht. Vielmehr wird man erstaunt feststellen, dass die Schwierigkeitsbewertung vor allem in Kaminen in der Regel bei einer sächsischen IV endet, bereits ein V-er-Kamin ist extrem selten anzutreffen. Für Risse findet man auch höhere Schwierigkeitsbewertungen, was nicht über die dafür erforderliche Klettertechnik hinwegtäuschen darf.

 

So dürfte beispielsweise der Kamin des AW auf den Dreifingerturm, sächsisch mit III bewertet, einem Hallen- oder reinen Wandkletterer den Schweiß auf die Stirn treiben. Der Weg wird sich viel, viel schwerer anfühlen … und das zu Recht. Risse- und Kamine folgen praktisch einer eigenen Schwierigkeitsbewertung. Auf Grund der Erschließungsgeschichte der sächsischen Klettergipfel kommt noch hinzu, dass in den meisten Rissen und Kaminen keine Ringe vorhanden sind, mobile Sicherungsmittel können, wenn überhaupt, oftmals auch nur mit großer Mühe angebracht werden.

 

In Rissen und Kaminen sind andere Techniken, als das bloße Halten kleiner Griffe gefragt. Je nach Breite eines Kamins klemmt sich der Kletterer mit mehr oder weniger gebeugten Beinen in den Felsspalt. Dadurch, dass er gleichzeitig Druck auf Füße und Rücken bringt, fällt er nicht herunter. Durch geschicktes Stützen mit den Händen und dem Höhersetzen der Füße, kann er eine Vertikalbewegung erzeugen. Das ist typischerweise sehr anstrengend und zum Teil auch recht schmerzhaft. Je nach Kaminbreite, kann auch kurz in Ruhepositionen verharrt werden.

 

Werden die Felsspalten schmaler, gelingt es oft nicht mehr, den gesamten Körper darin zu verkeilen. Mitunter klemmen nur noch die Hüfte, die Schulter und ein Bein/ Fuß. Es handelt sich um den Übergang vom Kamin zum Schulterriss. Dafür ist erneut eine andere Technik gefragt, da ein Teil des Körpers außerhalb des Risses verbleibt. Ruhepositionen können immer dann gefunden werden, wenn es z.B. gelingt, Ellbogen-Handballen (Chicken Wing) oder Hüfte-Knie-Ferse an den Risswänden zu verklemmen. Schulterrisse sind meist noch kraftraubender als Kamine, die Vertikalbewegung langsamer. Es empfiehlt sich zudem, die im Riss klemmenden Hautflächen mit robuster Kleidung zu schützen (z.B. in der Genießerspalte, IV, am Meurerturm).

 

In noch engeren Felsspalten können dann nur noch Faust, Hände oder Finger verklemmt werden. Die Füße finden je nach Breite noch im Riss Halt oder mit etwas Glück auf den Wänden daneben. Für Faust-, Hand- oder Fingerrisse ist wiederum eine andere Klettertechnik notwendig. Der Kletterer muss lernen, die Hand im Riss so zu verklemmen, dass er diesen praktisch als "Griff" benutzen kann, dann werden die Füße nachgesetzt. Beobachtet man einen Risskletterer von Ferne, so kann man erkennen, dass dieser sich zügig und fast schlangenartig nach oben windet, da oft wechselseitig linke und rechte Hand nach oben gesetzt werden. Die Füße folgen dann der Bewegung der Hände im Riss.

 

Allein die kurze überblicksartige Schilderung von Riss- und Kaminkletterei verdeutlicht, dass diese Klettertechniken in Kletterhallen weder trainiert noch gelehrt werden. Falls sich dort Übungsrisse finden, ziehen es die meisten Kletterer dennoch vor, an den Wänden zu klettern.

Je nach Kamin oder Riss sind unterschiedliche Techniken notwendig. Die subjektiv wahrgenommene Schwierigkeit hängt oft von der Moral und der Statur (einschließlich Fußgröße) des Kletterers ab. Insgesamt kann jedoch gesagt werden, dass sich in den leichteren Kaminen, z.B. dem Gühnekamin, III bis IV, oder dem Klemmweg, II, neben Trittmulden, Griffen und Absätzen zum Steigen und Stützen oftmals auch noch ein paar wenige Möglichkeiten, Sicherungen anzubringen finden. Kamintechnik ist meist nicht durchgängig erforderlich, die Breiten sind noch angenehm, man kann die Bewegungen gut ausbalancieren und moderne, schmale Kletterschuhe finden guten Halt auf dem rauen Sandstein.

 

In der "Genießerspalte", IV, hingegen ist an einigen Stellen bereits eine durchdachte Schulterrisstechnik erforderlich. Sicherungen sind kaum möglich und die Füße werden Mühe haben, auf den glatten Risswänden Halt zu finden. Mit der Schwierigkeit "4" in einer Kletterhalle hat diese Art der Kletterei nur wenig zu tun. Henkel und große Tritte sucht man hier vergebens. Doch gelingt es, den Körper gut im Riss zu verklemmen und sich nach oben zu schieben, hat diese Kletterei ihren eigenen Reiz. Die "Genießerspalte" ist zudem, wie der Name schon sagt, ein großer Klassiker im Gebirge und demnach ein "must-have" im Elbsandstein.

 

Also, nur Mut! Risse und Kamine lassen sich klettern und auf einige Gipfel gelangt man nur, wenn man in der Lage ist, einen Riss oder Kamin auszusteigen.

 

Ülmtülp, Wächterriss, VIIa (Foto: Helmut Schulze, 2017)
Ülmtülp, Wächterriss, VIIa (Foto: Helmut Schulze, 2017)