Understatement!

Aufstieg auf den Bla Bheinn / Blaven im Hintergrund Loch Slapin
Aufstieg auf den Bla Bheinn / Blaven im Hintergrund Loch Slapin

 

Wir starten zögerlich gg 11 Uhr am Loch Slapin den Aufstieg auf den Bla Bheinn (Blaven), den "Blauen Berg". Das Wetter hatte sich uns am Vortag nicht gerade von seiner besten Seite gezeigt. Für heute sind vier Stunden regenfrei angesagt und die wollen wir nutzen 🙂!

 

Die Sonne blinzelt durch die Wolken, der Gipfel ist noch verhüllt. Bog-Faktor 1 verspricht einen halbwegs trockenen Aufstieg. Die Route ist mit vier von fünf möglichen "Bergstiefeln" bewertet - also sind ordentliche Scrambel-Stellen zu erwarten. Das sind Stellen, bei denen man "schon mal die Hände aus den Taschen nehmen muss". Der Engländer sagt dazu "scrambling" und meint eine Mischung aus Klettern, Bergsteigen und Wandern. In aller Regel braucht man die Hände, um vorwärts zu kommen.

 

Dazu muss man wissen: Wegmarkierungen, Steinmännchen oder Drahtseilversicherungen - gar Klettersteige - sind dem Engländer unbekannt. Man folgt beherzt Begehungsspuren, auch wenn das durchaus mal in eine Sackgasse führt (das sollte man also einplanen) ...

 

Der Weg führt uns also auf an einem gut mit Schotter befestigten Pfad an einem hübschen Bach mit etlichen Wasserfällen entlang. Rd 990 Höhenmeter sind auf rd. 4km Weg zu bewältigen. Diese konzentrieren sich auf die letzten 1,5 km. Oder anders formuliert: Zum Schluss wird es ordentlich steil! 

 

Wir hopsen mehrmals über den glasklaren Gebirgsbach, steigen steil hinauf und stehen schließlich in einem schier märchenhaften Kessel. Die Sonne taucht die umliegenden Gipfel in ein mystisches Licht, auf einem See spiegeln sich die schnell ziehenden Wolken. 

 

Wir müssen uns nun entscheiden: Links- oder rechtsrum auf den Gipfel  ... wir wählen links, die Pfade sehen breiter aus. Nun geht es eine steile Schotterpiste in kleinen Kurven hinauf, einen zugigen Sattel verlassen wir schnell und scrambeln durch schrofiges Gelände fix die letzten rd 200 Höhenmeter auf den Gipfel. In den Alpen wäre das als Kletttersteig A mit definitiv versicherten Passagen durchgegangen - hier waren wir froh, dass uns gelegentlich ein Steinmännchen den Weg wies. Very british 😉

 

Doch verflixt, es ist zunächst nur der Vorgipfel! Vom eigentlichen Gipfel trennen uns noch 100m und eine respektable Schlucht! Wir tasten uns an den Rand heran und entdecken die Schwachstelle. Dort klettern wir hinab, queren recht ausgesetzt auf einem luftigen Band zur Schlucht und steigen schließlich auf den weiter führenden Pfand herunter.

 

Nunja, ohne zu übertreiben? In den Alpen hätten an dieser Stelle fette Drahtseile den Begeher daran erinnert, sich irgendwie zu sichern und hinterher hätte dieser wahrscheinlich wenigstens ein "B" in sein Klettersteig-Tourenbuch eingetragen.

 

In Schottland nennt man es vornehm: "A delightful scramble" und überlässt es dem staunenden Kontinentaleuropäer, die Passage mit einem gefrorenen Lächeln geschmeidig zu überwinden  ...

Nach uns spielen sich noch spannende Szenen an der Stelle ab, als diverse Wanderer sich an dem Übergang versuchen - jeweils einer aus den folgenden Gruppen will seltsamerweise nicht den ungesicherten Grat entlang turnen 😎

 

Wir pausieren kurz am richtigen Gipfel. In den gegenüberliegenden Cuillin Hills hängen leider die Wolken, ansonsten ist das Panorama gigantisch. Dann steigen wir über den "rechten" Weg wieder bis in den Kessel ab. Eine schöne Runde, doch auch dieser Abstieg ist nicht geschenkt.

 

Wir treffen den Vater und Sohn wieder, die wir am ersten Wasserfall überholt hatte. Sie fragen uns, ob der andere Weg leichter sei  ... angesichts der Schluchtquerung geben wir dazu mal lieber keinen Ratschlag ab.

 

Nach knapp fünf Stunden stehen wir wieder am Auto. In diesem Moment schiebt sich wieder eine Wolke um den Bla Bheinn. Eine schöne Tour!