Klettern mit und bei Verwandten

Was soll ich sagen? Als mich meine Schwester fragt, ob sie mit ihrer Familie aus Bayern zum Klettern in die Sächsische Schweiz kommen kann, sage ich natürlich sofort zu! Zu selten sieht man sich sonst, also wird die Gelegenheit ergriffen.

Doch wer hätte gedacht, welche Stolperfallen sich da verstecken … ;)

 

Tag 1 - Testklettern am Gohrisch

Wir stehen im leichten Nieselregen vor dem Muselmann, AW I. Wir - das sind meine Schwester, meine Nichten (10 und 13), mein Schwager, mein Sohn, Helmut und ich.

Schon am Einstieg verliere ich "irgendwie" die Kontrolle … denn "plötzlich" sind mein Schwager, Helmut, mein Kind und sogar meine Schwester schon auf dem Gipfel. Die Nichten klettern am Seil mehr oder weniger brav hinter her.

Innerhalb von einer knappen halben Stunde sind alle oben. Das Gipfelbuch stinkt, als wäre es frisch aus einer Kiste Fischabfälle gefischt worden. Dann wird mir klar: Alle müssen auch wieder runter.

Das wird zu einem abendfüllendem Programm. Komplizierte Safe-Lock-Karabiner, zu lange Selbstsicherungen, zu leichte Nichten … und im Übrigen: Angst vorm Abgrund oder dem Monster aus dem Sandstein.

An der Narrenkappe haben wir bereits zwei Kletterer eingebüßt (Schwester und Sohn), die frierend am Einstieg warten. Auf den Zwerg klettern wir nur noch zu dritt (Vorteil: Es müssen auch nur drei wieder runter).

 

Tag 2 - Einklettern im Bielatal

Schwager, Schwester, meine Nichten, Helmut und ich pilgern nach einem herzhaften Regenguss im Bielatal in Richtung Bonze und Verlassene Wand. Am Wandfuß geht es jetzt schon etwas routinierter zu. Immerhin kommen alle Kletterwilligen komplikationsfrei in die Gurte. Ich behänge mich mit Schlingen und steige die Südostwand, IV*, auf den Bonzen vor. Dort lege ich Schlingen was das Zeug hält, vielleicht hat ja der Schwager auch Lust auf einen Vorstieg???

Schnell bin ich oben und signalisiere, dass mein Schwager nachsteigen kann. Spätestens da wird mir klar: Einen Einbindeknoten beherrscht er ja noch gar nicht und Helmut sitzt zum Knipsen auf der Verlassenen Wand. Herrje!

Ich versuche mich in Pantomime und tatsächlich gelingt es nach einiger Zeit, dass das Seil durch etwas Achtähnliches mit dem Gurt meines Schwagers verbunden ist :) An der Schlüsselstelle ignoriert er den erlösenden Henkel konsequent und wählt danach sogleich einen Vorstieg ab.

Dann sind die Nichten dran. Meine Schwester versucht sich nun mit Fernanleitung an den Achterknoten, das Ergebnis sieht vielversprechend aus! Recht flink sind die beiden Mädels oben. (Zumindest nachdem es mir im siebten Anlauf gelingt, das Seil knäulfrei an den Wandfuß zurück zu schleudern …). Dann wieder eine Stunde Abseildrama.

Den Breiten Kamin an der Verlassenen Wand, VIIa**, steigt mir nur mein Schwager nach. Ich hoffe, dass ihn die Höhe beeindruckt - tut sie auch ein bisschen und ein glattes Stück am Ausstieg.

Als er oben ankommt, wird mir sein größtes Problem klar: Er hat keine Ahnung, wie man Schlingen am Gurt befestigt. Wild flattern Knoten, Ufos und Bandschlingen um Brust, Beine und Hüfte. Es grenzt an ein Wunder, dass er oben angekommen ist, ohne sich zu strangulieren :D. Ich nehme mir vor, ihm zu zeigen, wie man Schlingen gut an den Gurt sortiert (naja, hätte ich es auch mal gleich gemacht …)

Zum Schluss geht es fast ohne Störung - mittlerweile klappen die Knoten und das Einbinden in die Mitte (mit zwei! Karabinern) - auf den Pfingstturm. Helmut sägt dort beherzt an einer Birke in der Nordwand herum. Das Abseilen dauert nur noch eine halbe Stunde, YES!

 

Tag 3 - Besuch mit Verwandten bei Verwandten

Heute geht es zu Tante und Onkel in die Schrammsteine. Die Schwester versucht sich im Touri-Programm (Königstein & Co.) mit der kleinen Nichte. Wir sind zu viert. Obrigensteig (sch****, ist der steil und lang), Schrammtor (dort treffe ich Freunde, die wollen via Kachelmann, VIIIb*, auf die Wetterhaube: sch****, die fehlt mir noch!), Wildschützensteig (nochmal steil und lang).

Schwitzend stehen wir schließlich vor der Tante im Sturm. Immerhin alleine. Entweder sind alle bei diversen Schulanfangsfesten oder haben eine WetterApp, die Sturm in den oberen Schrammsteinen anzeigt.

 

Meine Freunde "poppen" gerade auf dem Schrammtorwächter auf. Ich hopse zum Einstieg der Perrykante, V*: Dann steil hinauf auf die Tante. Mein Pferdeschwanz flattert waagerecht im Wind. Mein Schwager kommt im dünnen Shirt hinterher geturnt, die ausgebauten Schlingen flattern fröhlich um alle möglichen Körperteile. Kaum sitzt er oben, beginnt er zu frieren. Meine große Nichte und Helmut klettern hinterher und endlich können wir wieder runter. Am Wandfuß ist es geradezu karibisch (Sonne, Sand …).

 

Dann der Bergfrex, Westkante, IV*.

Auf halber Strecke weht es mich fast um die Ecke!

Tapfer steige ich weiter, mein Zopf flattert heiter.

 

Der Weg ist sehr schwagerfreundlich: Es liegen nämlich keine Schlingen (und Karabiner kann selbst mein Schwager auch ohne Anleitung und Übung tadellos am Gurt befestigen). Ich sehe die "Kachelmänner" auf der Wetterhaube aufpoppen. Derweil klettern Helmut und Nichte - und fix zurück an den "Strand". Abseilen geht jetzt schon richtig gut.

 

Dann der Onkel, Westkante, VI*. Irgendwie hatte ich verdrängt, was das für ein Sandhaufen ist! Ab dem Ring ist es spannend. Helmut kommentiert von gegenüber meine Kletterzüge, da mich der mich sichernde Schwager nicht sehen kann. Auf dem Gipfel habe ich das Gefühl, ich muss mich festbinden, um nicht wegzuwehen. Schwager und Nichte turnen hinterher. Helmut den alten Weg. Mittlerweile tauchen meine Kletterfreunde auf dem Jubliäumsturm auf.

Am Wandfuß habe ich genug vom Wind und wir steigen über den Wildschützensteig wieder hinunter.

Kaum tauchen wir zwischen den Bäumen ein, ist der Wind wie weg geblasen und meine Freunde berichten mir, dass auch sie keinerlei Wind zu spüren bekamen … hm. Tja. Na dann!

 

Tag 4 - "Schnell" auf die Nadel

Wir starten wieder als volle Mannschaft. Geplant ist der AW, V*, auf die Wehlnadel. Jetzt mit Ring zum Nachholen auf dem Querungsband:

> Finde den "Fehler"!

Genau: NACHHOLEN!

 

Keine gute Idee mit einer halben Fußballmannschaft im Schlepptau. Immerhin beherrschen jetzt fast alle den Einbindeknoten. Die Verständigung ist mühsam. Doch irgendwann sitzen wir einträchtig auf der Wehlnadel. Die Schwester schießt Fotos von der Aussicht und es weht ein vorsichtiges Lüftchen. Ab und zu scheint die Sonne. Kurz: Es ist schön!

 

Nach rund drei Stunden sind wir alle wieder unten. Wir klettern noch auf den Souffleur, Ostweg VI*, auf dem wir dann gut im Windschatten gebraten werden (naja, besser als "vom Winde verweht"). Der Schwager kann mittlerweile die Schlingen ganz gut sortieren. Die Nichten packt der Ehrgeiz (der Weg ist doch recht kräftig). Dann geben mein Schwager und ich uns in der Südwestwand den Rest (kleine, superfetzige, Knirpel und Leisten) - am 3. Ring bin ich am Limit.

Mittlerweile wird in der Felsenbühne für die Abendaufführung von "Zorro" geprobt - nicht jeder Blechbläser oder Sängerin trifft den Ton so ganz genau, doch wir klettern ja auch mal schief :D.

 

Dann ist Schluss - es gibt viele schöne Fotos und alle sind ganz zufrieden. Ehrlich? Es ist aber auch schön, auf einem der sächsischen Gipfel hocken (selbst im Sturm!).

 

Außerdem bin ich jetzt schlauer:

- Können die Nachsteiger Gurt anziehen und einen Einbindeknoten binden (mittig und am Ende)?

- Sind ausreichend Karabiner und Abseilgeräte vorhanden?

- Abseilen schon mal am Boden üben und eine Abzugssicherung ("Klospülung") für unsichere Abseiler einplanen

- Erklären, wie man Schlingen an den Gurt sortiert (ha!)

- Seilkommandos

- Standplatzeignung für eine große Anzahl von Nachsteigern

- … ach ja: Verpflegung und Wasser für einen ganzen Tag einpacken, denn: Man geht i.d.R. zwischendurch nicht irgendwo essen (Daxenstein mal ausgenommen)

- … und Tipp für die mitgehenden Nichtkletterer: Nehmt euch ein Buch mit! (oder zwei, oder drei …)

 

Bielatal, Bonze, Südost-Wand. Foto: Helmut Schulze (c) 2019.
Bielatal, Bonze, Südost-Wand. Foto: Helmut Schulze (c) 2019.